Mit dem URAL – Gespann gen Italien (ja, umschrieben kommt das auch vor aber lest selbst)

Unser Migrant russischer Herkunft hat nun schon einige Spuren artgerechter Haltung abgekriegt, hat einen immerhin doch schon mittleren 4-stelligen Tachometerstand erreicht und schien uns gereift genug, um ihn mal einem etwas strengeren Test zu unterziehen.

Am Gardasee gab‘s kein festes Dach mehr, am Comer See stand eine Ferienwohnung obendrein für lau zur Verfügung. Da schlug mein Sprachfehler zu, ich konnte nicht nein sagen. Die Wettergötter konnten sich nicht für ein einheitliches Wetter entscheiden, so konnten wir das Stilfser Joch nicht in die Anreise mit einbauen. Aber eine Fahrt über Fernpass, über Landeck durchs Engadin und St. Moritz (schaut überhaupt nicht mondän aus – eher langweilig betönern), den Malojapass hinunter und dann zum Comer See hat auch sehr viele schöne Seiten.

In Italien angekommen, fiel sofort auf, dass die Italiener guten Geschmack und das Herz an der richtigen Stelle haben: Ob Jung, ob Alt, ob Männlein oder Weiblein, das URAL – Gespann zauberte sehr vielen Leuten sofort bei seinem Anblick ein Lächeln ins Gesicht. Wenn wir auf einem Parkplatz anhielten, gab es so gut wie immer ein Gespräch so á la „boaaah ey was ist das denn? Wie alt ist die? Was, nur ein Jahr? Boaah, aus Russland? Fast 50 Cavalli aus 750 cubiczentimetri oder so? Geil, ey …“ Wie da der Rückwärtsgang wirkt, brauche ich wohl nicht zu beschreiben…

Wir fanden unser Dörflein Rezzonico problemlos, mussten allerdings die Ortliebsäcke (ganz große Größe!) im Schweiße unseres Angesichts  etliche hundert Meter treppab schleppen, um die Behausung oberhalb der Stadtmauer zu erreichen. Eine Terrasse bietet Aussicht auf den See mit Wasserflugzeug und Aliscafo (Tragflächenboot). 

Die Wettergötter konnten sich am nächsten Tag nicht für ein einheitliches Wetter entscheiden, das machte aber nichts, der Regen war seidig und warm – wenn er denn fiel. In Como gibt’s einen Dom, wenn die Wolke bricht, und daneben eine Pizzeria, wenn man Hunger hat. Es gibt auch die Brebbia – Lollopipe, und endlich habe ich wieder das kleine runde flache Pfeiflein, was man so nett zusammenfalten kann und was dann lässig in der Hosentasche zu tragen ist. Mützen mit schräg aufgenähter Krempe gibt es auch, wir fanden einen wunderbaren Mirtillio - Grappa mit Heidelbeersaft und den Aquavite aus Bassano. Sonne gab‘s auch.
Am nächsten Tag konnten sich die Wettergötter nicht für ein einheitliches Wetter entscheiden, das machte aber nichts, wir hatten eh nur vor einen wunderschönen botanischen Garten in einer wunderschönen Villa (Carlotta) anzuschauen. (Die hat übrigens dem letzten sächsischen König gehört) Zitrus und Bambus und Araucarie und Palmen und und und …Als wir im Café der Villa saßen, verschwand auf einmal das gegenüberliegende Ufer in einem grauen Nebel. Die Nebelwand zog näher und entpuppte sich als ziemlich intensiver Wolkenbruch – derweil schauten wir uns die Gemmen, Gipsifiguri und Malebilder im Haus an. Rückfahrt zur Wohnung – mit Abstecher in ein verlassenes Dorf oberhalb Rezzonico.
Am nächsten Tag konnten sich die Wettergötter nicht für ein einheitliches Wetter entscheiden, das machte aber nichts, wir schleppten schweißgebadet die Klamotten zum URAL und waren für den ersten Nieselregen fast dankbar, weil er für Abkühlung sorgte. Am Maloja – Pass fing‘s dann richtig an. Wir puhlten uns die Regenklamotten über. Ab hier sorgte die russische Technik zum ersten Mal für Spannung: nasser Schweizer Asphalt und russischer Gummi passen nicht zueinander. Das Ding schob in jeder Kurve wie blöd über das Vorderrad weg, schade um die vielen Newtonmeters, die ansonsten das Passfahren mit dem URAL zu einer relaxten Sache machen, wenn man es nicht so richtig eilig hat. Hinter St. Moritz hörte die Schifferei dann erst mal vorläufig auf. Wir bullerten entspannt durchs Engadin, brannten in Zernez 66 Teuronen für 2 mäßige Pizzen, 1 Salat und 3 Spezi und machten noch einen Abstecher ins zollfreie Samnaun zum Tanken.

Kurz vor Garmisch, erwischte uns dann ein Hagelschauer vom Feinsten. Es schepperte gewaltig auf den Helmen, die Treffer spürte man noch durch die Kombi. Ein Hagelkorn knallte mir auf den rechten Zeigefinger und eines an eine Stelle, wo ich es niemals für möglich gehalten hätte. Folglich fuhr ich fortan während des Hagels stark nach vorne gebeugt. Kaum war der Hagel vorbei, kam uns ein Threewheeler entgegen, der Fahrer fuhr ohne Kappe und ohne Brille. Der wird was erlebt haben … der bretterte direkt da rein.

Kurz vor Zuhause überraschte uns dann noch ein sauberes Gewitter. Da bekam ich‘s mit der Angst, und verzog mich mit unserem Eisenhaufen unter eine Brücke, bis es vorbei war.

Warum ich nichts über den URAL schreibe? Da war nix. Purer Fahrspaß mit einem klassischen Gespann, sonores Bullern, das war‘s. Und das Lächeln, das er in die Gesichter der Passanten zaubert.